Entfernung einer öffentlichen Leitung von einem Privatgrundstück

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 12.01.2024 – 4 L 204/22, 4 L 126/21 zu der Frage der Unzumutbarkeit einer Leitungsverlegung entschieden.

In dem zu entscheidenden Fall hatte zunächst eine Gemeinde auf ihrem Grundstück eine Abwasserleitung verlegt. Sie trat danach einem Abwasserzweckverband bei und übertrug neben der Aufgabe der Abwasserbeseitigung auch die hierfür erforderlichen Anlagen. Zwei Jahre später verkaufte die Gemeinde dann das Grundstück an eine Privatperson, die nun die Entfernung der Leitung durch den Zweckband verlangt. Dieser legte Kostenberechnungen zur Umverlegung der Leitung in öffentlichen Straßenraum vor, wonach die Kosten zwischen 66.000 € und 82.000 € betragen. Außerdem sei ein Antrag auf Duldung der Leitung nach § 93 i.V.m. § 92 Satz 2 WHG gestellt.

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt gab der Klage in zweiter Instanz statt und verpflichtete den Abwasserzweckverband, die Leitung zu beseitigen. Rechtsgrundlage für den Beseitigungsanspruch sei der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch. Als verschuldensunabhänger Anspruch sei er unter den Voraussetzungen gegeben, dass ein hoheitlicher Eingriff in Gestalt öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns vorliegt, der eine subjektive Rechtsposition des Betroffenen aus einfachgesetzlichen Vorschriften oder Grundrechten unmittelbar verletzt, und dass für den Betroffenen dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der andauert.

Dieser Voraussetzungen sah das Gericht als gegeben an. Die bestehende Leitung greife in das Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 18 Abs. 1 LVerf LSA ein. Dieser sei nicht selbst Eigentümer der Leitung. Zwar sei die Leitung im Zeitpunkt ihrer Errichtung wesentlicher Bestandteil des damals noch kommunalen Grundstücks gewesen. Mit der Übertragung der Leitung auf den Zweckverband habe sich das Eigentum an der Leitung rechtlich verselbstständigt, sodass die Leitung ab diesem Zeitpunkt zu einem Scheinbestandteil wurde. Durch diese fremde Leitung würden die Eigentümer in der Nutzung ihres Grundstücks erheblich beeinträchtigt, weil Leitungen auch in 2 bis 3 m Tiefe die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks im Innenbereich beeinträchtigen. Die Eigentumsbeeinträchtigung sei dem Abwasserzweckverband als aktuellem Eigentümer und Betreiber der Leitung zuzurechnen, auch wenn er die Leitung ursprünglich nicht errichtet hat, weil es auf den aktuell anhaltenden rechtswidrigen Zustand ankomme. Der ursprünglich rechtmäßige Zustand sei durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse am Grundstück rechtswidrig geworden, weil ein Leitungsrecht bei der Eigentumsübertragung nicht begründet wurde. Eine Duldungspflicht bestehe nicht. Ein Notleitungsrecht könne nicht geltend gemacht werden, weil die Gemeinde und der Abwasserzweckverband eine Leitungssicherung willkürlich unterlassen hätten. Ein Duldung nach § 93 WHG bestehe ebenfalls noch nicht, da über den Antrag noch nicht entschieden sei und eine solche Entscheidung zeitnah auch nicht zu erwarten sei. Schließlich sei der Folgenbeseitigungsanspruch für den Aufgabenträger auch nicht unzumutbar, weil eine Umverlegung keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. An diesen ausnahmsweisen Anspruchsausschluss seien hohen Anforderungen zu stellen, die hier bei einer Wertminderung des Grundstücks durch die Leitung von 50.000 € nicht vorlägen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, da er erst in dem Zeitpunkt entstanden sei, als die Gemeinde das Grundstück an die Kläger veräußert habe.

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