Umfang der von Städten und Gemeinden vorzunehmenden Streu- und Räummaßnahmen

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 01.12.2023 (Az. 11 U 32/22) über den Umfang der von Städten und Gemeinden vorzunehmenden Streu- und Räummaßnahmen entschieden.

Die 1977 geborene Klägerin hatte im Februar 2021 gegen 09:10 Uhr einen Gehweg und dortigen Fußgängerüberweg im Bereich eines Kreisverkehrs passiert. Aufgrund der bestehenden Schnee- und Eisglätte stürzte die Klägerin. Im Krankenhaus wurde festgestellt, dass die Klägerin sich eine Bimalleolarfraktur (Wadenbeinbruch nebst Schienbeinbruch) links, eine traumatische Ruptur der Bänder in Höhe des oberen Sprunggelenkes und des linken Fußes zugezogen hatte, sie musste stationär aufgenommen sowie operativ versorgt werden und war für etwa zwei Monate arbeitsunfähig.

Die Klägerin forderte von der beklagten Stadt ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 € und beantragte die Feststellung, dass die Beklagte für alle Zukunftsschäden zu haften habe.

Das AG Münster wies die Klage ab.

Das OLG Hamm hingegen sprach der Klägerin nach einer erneuten Beweisaufnahme einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 € gemäß §§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG NW, § 1 Straßenreinigungsgesetz NW zu. Es stellte zudem fest, dass die Beklagte der Klägerin alle künftigen, aus dem Unfall resultierenden, Schäden zu ersetzen habe.

Zur Begründung führte das OLG aus, dass der Sturz der Klägerin auf einer schuldhaften Verletzung der der beklagten Stadt obliegenden Räum- und Streupflicht beruhe. Ihr habe es oblegen, auf öffentlichen Straßen und Wegen bei vorhandener Schnee- und Eisglätte entsprechende Streu- und Räummaßnahmen durchzuführen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Maßnahmen seien die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten, insbesondere komme es auf die Art und Wichtigkeit der Verkehrswege, deren Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs an.

Für den Fußgängerverkehr müssten die Gehwege und solche Fußgängerüberwege, die über viel befahrene Straßen führten innerhalb der geschlossenen Ortschaft gestreut werden. Entscheidend dabei sei auch, ob ein Fußgänger bei vernünftiger Sicherheitserwartung mit dem Abstreuen des Gehweges rechnen dürfe.
Zwar sei die Beklagte im vorliegenden Fall nicht untätig geblieben, der Mitarbeiter der Beklagten habe vielmehr am Unfalltag zwischen 5:00 Uhr und 09:00 Uhr zweimal den streitgegenständlichen Gehweg und Fußgängerüberweg mit einer Streumaschine abgefahren und habe dabei an dem Fahrzeug die Abgabe einer Salzmenge von 25g/m² eingestellt.

Dies sei indes nicht ausreichend, vielmehr sei bei einer festgestellten Lufttemperatur von -10°C und einer mehr als einen Zentimeter dicken Eisschicht und hinzukommendem Neuschnee eine 13 %-ige Salzlösung erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass das durch das Salz angetaut Wasser wieder gefriert. Hingegen habe die vom Mitarbeiter der Beklagten aufgebrachte Salzmenge dies nicht zu verhindern vermocht, vielmehr habe sich die Glättebildung dadurch noch verstärkt.
Ein Mitverschulden der Klägerin hat das OLG nicht festgestellt. Es sei nicht bereits aufgrund des Sturzes anzunehmen, dass diese ihre Sorgfaltspflichten verletzt habe, ein dahingehender Anscheinsbeweis bestehe nicht.

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