VG Leipzig: Unzulässigkeit der Ermittlung der versiegelten Grundstücksfläche nach der Grundflächenzahl bei Einleitgebühr für die Niederschlagswasserentsorgung

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit Urteil vom 24.02.2022 (Az.: 6 K 1714/20) entschieden, dass die Ermittlung der den Gebührenmaßstab bildenden versiegelten Grundstücksfläche für die Einleitgebühr für die Niederschlagswasserentsorgung nach der Grundflächenzahl unzulässig ist.

Die Abwassergebührensatzung des beklagten Aufgabenträgers bestimmt, dass die Niederschlagswassergebühr nach der Niederschlagswassermenge bemessen wird, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt und in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wird. Maßstab für die Einleitgebühr für die Niederschlagswasserentsorgung ist dabei die versiegelte Grundstücksfläche. Die Satzung enthält Bestimmungen über die versiegelten Grundstücksflächen (z. B. die gesamten Grundflächen von Gebäuden oder baulichen Anlagen einschließlich der Dachüberstände, die Flächen der überdachten Terrassen, Freisitze o. ä.).

Die versiegelte Grundstücksfläche wird nach einer weiteren satzungsrechtlichen Vorschrift nach der Grundflächenzahl ermittelt. So bestimmt sich die versiegelte Grundstücksfläche für Grundstücke im Bereich eines Bebauungsplans nach der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl. Für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich und solche, für die ein Bebauungsplan keine Grundflächenzahl festsetzt, regelt die Gebührensatzung die Grundflächenzahlen für die jeweiligen Baugebiete. Auch für Außenbereichsgrundstücke, für Grundstücke mit diffuser Bebauung sowie Grundstücke mit Sport- und Festplätzen, Campingplätzen, Freibäder und Friedhöfen bestimmt die Gebührensatzung die jeweiligen Grundflächenzahlen. Damit ergibt sich die versiegelte Grundstücksfläche pauschal aus einem Wert, der sich an der zulässigen Bebaubarkeit des Grundstücks orientiert.

Für den Fall, dass die tatsächlich versiegelte Fläche auf einem Grundstück kleiner als die nach der Grundflächenzahl berechnete Grundstücksfläche ist, bestimmt eine weitere Regelung in der Gebührensatzung, dass der Gebührenerhebung die tatsächlich versiegelte Fläche auf Antrag des Grundstückseigentümers zugrunde zu legen ist.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Leipzig verstößt der vom beklagten Aufgabenträger geregelte Niederschlagswassergebührenmaßstab gegen das Bestimmtheitsgebot. Für einen Abgabenpflichtigen ergebe sich aus den Regelungen über den Gebührenmaßstab nicht mit hinreichender Klarheit, ob sich die versiegelte Grundstücksfläche nun aus den tatsächlich befestigten und bebauten Flächen oder aus den nach dem Baurecht überbaubaren Flächen ergibt.

Diese Begründung überzeugt nicht. Bei der Regelung über die versiegelte Fläche nach der für ein Grund-stück maßgeblichen Grundflächenzahl handelt es sich erkennbar um eine Pauschalierung der zu berechnenden versiegelten Grundstücksfläche.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Leipzig verstößt der in der Gebührensatzung des beklagten Aufgabenträgers bestimmte – sich im Übrigen an den Vorgaben im Satzungsmuster des Sächsischen Städte- und Gemeindetages für eine Abwassersatzung aus dem Jahr 2004 (Sachsenlandkurier 9/04, S. 385, 395; 3/14, S. 129, 143 f.) orientierende - Gebührenmaßstab gegen das Äquivalenzprinzip. Dieses Prinzip werde nur dann beachtet, wenn die Bezugsgröße (Gebührenmaßstab) einen hinreichend sicheren, in der Regel zutreffenden Schluss auf den Umfang der Inanspruchnahme oder Benutzung zulasse. Aktuell, so das Verwaltungsgericht, werden die Versiegelungsfläche und die modifizierte Versiegelungsfläche, also mit Abflusswerten, als möglicher zulässiger Maßstab anerkannt.

Der vom beklagten Aufgabenträger bestimmte Verteilungsmaßstab stelle mit der Berechnung der versiegelten Grundstücksflächen nach Maßgabe der Grundflächenzahlen auf die zulässig zu bebauende Fläche ab. Wegen dieser Bezugnahme auf die abstrakte Bebaubarkeit löse sich die Normierung von der die Gebührenerhebung rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit, wonach Niederschlagswasser regelmäßig von den bebauten und befestigten Flächen abfließt, während es auf den unbefestigten Flächen versickert. Die Berechnung der versiegelten Grundstücksfläche nach der Grundflächenzahl lasse somit keinen Rückschluss zu Umfang und Art der Inanspruchnahme der Abwasseranlage zu und differenziere im Übrigen auch nicht hinreichend zwischen Gebührenpflichtigen.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig hat der beklagte Aufgabenträger Antrag auf Zulassung der Berufung zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht gestellt. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Für sächsische Aufgabenträger, die in ihrer Gebührensatzung die Regelung über die Berechnung der versiegelten Grundstücksfläche nach der Grundflächenzahl aufgenommen haben, besteht deshalb zur Zeit keine Notwendigkeit, diese Regelung zu ändern.

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